Neue Regeln für die Schufa
Die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und deutscher Gerichte zur Praxis der Schufa haben weitreichende Folgen für das Bankrecht und die Kreditvergabe in Deutschland. Besonders das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2023 (Rechtssachen C-634/21, C-26/22, C-64/22) sowie nachfolgende Entscheidungen, wie die des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom April 2025, setzen neue Maßstäbe für die Nutzung des Schufa-Scores und die Speicherung von Daten. Diese Entwicklungen stärken die Rechte von Verbrauchern, stellen Banken jedoch vor neue Herausforderungen in der Kreditwürdigkeitsprüfung. Rechtsanwalt Jan R. Wixforth, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, begleitet Banken und Verbraucher in diesen rechtlichen Umwälzungen und gibt Einblicke in die praktischen Auswirkungen.
Das EuGH-Urteil: Ein Wendepunkt für das Schufa-Scoring
Der EuGH hat klargestellt, dass das automatisierte Schufa-Scoring gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstößt, wenn es die maßgebliche Grundlage für Entscheidungen über Vertragsabschlüsse, wie Kreditvergaben, bildet. Nach Artikel 22 DSGVO sind solche automatisierten Entscheidungen grundsätzlich verboten, es sei denn, nationale Gesetze schaffen Ausnahmen oder es liegt eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vor. Wixforth, der seit über zwei Jahrzehnten Finanzinstitute bundesweit vertritt, erklärt: „Das Urteil zwingt Banken, ihre Kreditentscheidungsprozesse zu überarbeiten. Der Schufa-Score darf nur noch ein Faktor unter mehreren sein, etwa neben Gehaltsnachweisen oder Kontoauszügen.“
Zusätzlich hat der EuGH die Speicherung von Daten zur Restschuldbefreiung nach Privatinsolvenzen eingeschränkt. Die Schufa darf solche Informationen nicht länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister, das sie nach sechs Monaten löscht. „Diese Entscheidung ist ein großer Sieg für Verbraucher, die nach einer Insolvenz wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen möchten“, betont Wixforth, der regelmäßig Mandanten bei der Löschung unrechtmäßiger Schufa-Einträge unterstützt.
Das OLG Köln-Urteil: Sofortige Löschung erledigter Forderungen
Im April 2025 hat das OLG Köln (OLG Köln: 15 U 249/24) die bisherige Praxis der Schufa, erledigte Forderungen drei Jahre lang zu speichern, für rechtswidrig erklärt. Das Gericht entschied, dass Verbraucher die Löschung solcher Einträge sofort nach Begleichung der Forderung verlangen können. Dem Kläger wurde ein Schadensersatz von 500 Euro zugesprochen. Wixforth, der als juristischer Begleiter zahlreicher Verbraucher in ähnlichen Fällen agiert, kommentiert: „Dieses Urteil stellt die pauschale Dreijahresfrist der Schufa infrage und könnte die gesamte Datenverarbeitung der Auskunftei revolutionieren.“ Posts auf X bestätigen, dass dieses Urteil in der Öffentlichkeit als „Wende“ wahrgenommen wird.
Auswirkungen auf Banken und Kreditinstitute
Für Banken bedeutet dies eine doppelte Herausforderung. Erstens müssen sie ihre Kreditvergabeprozesse anpassen, um sicherzustellen, dass der Schufa-Score nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage ist. Wixforth, der Banken bei der Umstellung ihrer Compliance-Strukturen berät, empfiehlt: „Banken sollten verstärkt manuelle Prüfungen einführen und transparente Entscheidungskriterien dokumentieren, um DSGVO-konform zu handeln.“ Zweitens erhöht die verkürzte Speicherfrist für erledigte Forderungen die Unsicherheit bei der Bonitätsbewertung, da historische Daten schneller verschwinden.
Ein weiterer Aspekt ist die Haftungsfrage. Banken, die sich auf fehlerhafte oder rechtswidrige Schufa-Einträge stützen, riskieren Schadensersatzklagen. Das OLG Naumburg sprach z.B. 2023 4.000 Euro Schmerzensgeld für einen unrechtmäßigen Schufa-Eintrag zu (Az. 4 U 81/22). „Banken müssen ihre Sorgfaltspflicht bei der Nutzung von Schufa-Daten erhöhen, um solche Risiken zu minimieren“, warnt Wixforth.
Chancen und Risiken für Verbraucher
Verbraucher profitieren von mehr Transparenz und einem gestärkten Recht auf Löschung falscher oder veralteter Einträge. Wixforth, der seit 2008 als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Bielefeld tätig ist, rät: „Betroffene sollten regelmäßig ihre Schufa-Daten prüfen und bei Unstimmigkeiten sofort handeln. Eine kostenlose Selbstauskunft ist der erste Schritt.“ Gleichzeitig könnten Vertragsabschlüsse länger dauern, da Banken nun zusätzliche Prüfungen durchführen müssen, was den bisherigen Komfort des automatisierten Scorings einschränkt.
Ausblick: Bankrecht im Wandel
Die Schufa-Urteile markieren einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Bonitätsdaten. Für Banken wird die Balance zwischen effizienter Kreditvergabe und DSGVO-Konformität entscheidend sein. Wixforth, der sowohl Banken als auch Verbraucher in gerichtlichen Verfahren vertritt, sieht eine klare Entwicklung: „Das Bankrecht wird zunehmend von Datenschutzaspekten geprägt. Institute, die frühzeitig auf transparente Prozesse setzen, werden langfristig profitieren.“ Für Wirtschaftsjournalisten bietet das Thema Ansatzpunkte, von der Analyse neuer Compliance-Anforderungen bis hin zu Fallstudien über Verbraucher, die erfolgreich gegen unrechtmäßige Einträge geklagt haben.
Die Schufa hat angekündigt, ihre Praxis anzupassen, etwa durch verstärkte Einholung von Einwilligungen oder kürzere Speicherfristen. Dennoch bleibt abzuwarten, wie nationale Gerichte den Begriff der „Maßgeblichkeit“ des Scores auslegen und ob der Bundesgerichtshof die Linie des OLG Köln bestätigt.
Rechtsanwalt Jan Wixforth fasst zusammen: „Die Macht der Schufa ist nicht gebrochen, aber deutlich eingeschränkt. Verbraucher und Banken müssen sich auf ein neues Zeitalter der Bonitätsprüfung einstellen.“